Weg in den Aufstand
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Weg in den Aufstand schildert die Wende aus der Sicht der Beteiligten. Subjektivität bedeutet hier auch Authentitzität. Die Dokumente, Protokolle, Tagebuchseiten, Akten sind kein Roman, aber spannender. Keiner hat vom Sonnabendskreis gehört? Hier "spricht" der Sonnabendskreis erstmals "persönlich". Die Beteiligten, die Revolutionäre, das sind alle die, die schon 1987-88 nichts anderes als den Sturz der SED im Sinn hatten. Auch wenn in den Verlautbarungen von Veränderungen innerhalb des Systems geredet wurde, das war Rhetorik, um nicht sinnlos in den Stasiknästen zu landen. Alle Texte sind von den Gruppensprechern zusammengestellt und autorisiert, von einigen der Hauptakteure stellvertretend herausgegeben.
Die konspirative Gruppe ohne eigentlichen Namen schaffte das, wovon die Unzufriedenen im Westen unter dem Namen "Graswurzelrevolution" nur träumen konnten. Die Beseitigung eines inhumanen, technokratischen Systems. (Was die frühe BRD, schlecht entnazifiziert und in kaiserzeitlichen Denkschemata befangen, immer noch gewesen ist.) Der westliche Teil Deutschlands hat von 1968 bis Mitte der '80er gebraucht, damit der Staat sich an seine eigenen Gesetze hält und diese noch wesentlich verbessert, was im Osten in wenigen Jahren und am Ende fast über Nacht passiert ist. Je weiter wir auch heute kommen, desto deutlicher sehen wir, was noch zu schaffen ist. Ein Paradigmenwechsel. Denn das macht Revolution aus: die Neuausrichtung und Erneuerung der Werte.
Wenn zum 25-jährigen Jubiläum über den Mauerfall berichtet wird, sehen wir meist nur die Bilder aus den Herbsttagen 89, als Hunderttausende auf die Straßen gingen. Wie langwierig und schwierig der Weg bis zu jenen Ereignissen jedoch war, davon wird seltener gesprochen. Mit der "Chronik zu Opposition und Widerstand in der DDR vom August 1987 bis zum Dezember 1989", deren erster Band gerade erschienen ist, liegt nun eine umfangreiche Dokumentation vor, die den Weg von der Demonstration am13. August 1987 an der Berliner Mauer bis zu jenen schicksalhaften Herbsttagen 1989 beschreibt. Taggenau und durch die zweispaltige Anordnung übersichtlich gegliedert, gibt sie einen Überblick über die Ereignisse jener Zeit. Die Herausgeber Thomas Rudolph, Oliver Kloss, Rainer Müller und Christoph Wonneberger waren damals selbst in kirchlichen Kreisen und verschiedenen oppositionellen Bürger- und Menschenrechtsgruppen aktiv. Sie greifen hauptsächlich auf Dokumente aus dem Archiv der Initiative Frieden und Menschenrechte Sachsen e.V. zurück und legen damit einen Schwerpunkt auf den Leipziger Raum. Jedoch spannt sich der Bogen der dokumentierten Ereignisse von der gesamten DDR über Osteuropa und die Sowjetunion bis zu westlichen Organisationen, Medien und den politischen Entwicklungen im deutsch-deutschen Verhältnis. Damit wird es dem Leser möglich, die Dokumente und beschriebenen Ereignisse besser in die politischen Zusammenhänge der damaligen Zeit einzuordnen und zu verstehen. Darüber hinaus werden in speziell gekennzeichneten Abschnitten erläuternde Bemerkungen zum Kontext oder aus heutiger Sicht eingeschoben. Zum Beispiel erfährt man, wer von den handelnden Akteuren später als Informeller Mitarbeiter der Staatssicherheit enttarnt wurde.
Durch die Verwendung zahlreicher und vielfältiger Originaldokumente gibt das Buch einen eindrucksvollen Einblick in die Atmosphäre und Stimmungslage der damaligen Zeit. Während diejenigen, die dabei waren, vielleicht wieder die Beklemmungen und Sorgen spüren, die sie angesichts von Verhaftungsmeldungen aus der Mund-zu-Mund-Propaganda oder Westmedien empfanden, die Unruhe, die sie beschlich, wenn sie hörten, wer auch einen Ausreiseantrag gestellt hat, werden die, die nicht dabei waren, sich ein sehr gutes Bild davon machen, was die Akteure der verschiedenen Gruppen antrieb und umtrieb. Dabei werden sowohl die Verflechtungen zwischen den einzelnen Gruppen als auch Konflikte zwischen ihnen sichtbar. Die beschwerliche, von vielen Diskussionen und Auseinandersetzungen geprägte Suche nach Wegen im Kampf um mehr Freiheit und Selbstbestimmung in einem demagogisch festgefahrenen Überwachungsstaat wird genauso nachvollziehbar wie die Rolle der wachsenden Zahl der Ausreiseantragsteller.
Neben der Chronik zu den zeitgeschichtlichen Ereignissen bis zum 28.11.1988, einem Vorwort von Oliver Kloss und Rainer Müller und einer Zeittafel der wichtigsten Ereignisse enthält der erste Band eine ausführliche Darstellung der Tätigkeit des Arbeitskreises Gerechtigkeit und der Arbeitsgruppe Menschenrechte. Dabei wird der hohe Grad an Organisation und Planung deutlich, mit dem diese Gruppen arbeiteten und die oppositionellen Aktionen vorantrieben, aber auch der Mut und die Risikobereitschaft ihrer Mitglieder, die ständig mit Festnahmen rechnen mussten.
Mit diesem Buch ist nicht nur eine eindrucksvolle Dokumentation der Entwicklung der oppositionellen Bewegung in der DDR sowie der Ereignisse gelungen, die schließlich im November 1989 zum Fall der Mauer führten, sondern durch die erläuternden und ergänzenden Materialien und Texte ermöglicht es dem Leser, diese im geschichtlichen Kontext einzuordnen und zu verstehen. Somit ist es besonders auch für jene geeignet, die diese Zeit nicht unmittelbar miterlebt haben und erfahren wollen, wie der "Weg in den Aufstand" verlief.
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