Vorsicht, Statistik!
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Drei Mathematiker sind mit der Bahn im Ausland unterwegs und erspähen durchs Zugfenster ein schwarzes Schaf. »Interessant«, sagt der erste, »in diesem Land sind die Schafe schwarz.« - »Das weißt du nicht«, sagt der zweite, »du kannst bisher nur sagen, dass es in diesem Land mindestens ein schwarzes Schaf gibt.« - »Zu voreilig geschlossen«, sagt der dritte. »Wir wissen nur, dass es in diesem Land mindestens ein Schaf gibt, das mindestens auf der einen Seite schwarz ist.«
Wenn die Mathematiker darauf bestehen, genau abzugrenzen, was man aus welchem Wissen schließen kann und was nicht, dann wirkt das manchmal richtig komisch. Zu dumm, dass sie mit dieser übertriebenen Vorsicht oft Recht haben.
Nur zu leicht führt uns die Alltagserfahrung in die Irre. Wenn ein über¬aus aktiver Revolverheld namens Wyatt Earp als 80-Jähriger an Alters¬schwäche stirbt, wirkt das unglaublich genug, um ihm zahlreiche Filme zu widmen. Aber Vorsicht! Dass unter zahllosen Westernhelden einer über¬lebt, ist alles andere als unwahrscheinlich (S. 44).
Wer nur zweifelsfrei wahre Aussagen über die Welt machen wollte, wäre (außerhalb des abstrakten Reichs der Mathematik) alsbald zum Schweigen verurteilt. Eine gewisse Irrtumswahrscheinlichkeit muss man sich schon genehmigen, wenn man aus den üblichen, durch Fehler beein¬trächtigten Messungen Schlüsse ziehen will. Wenn man sich allerdings die Beobachtungen gezielt so aussucht, dass sie mit dieser Irrtumswahr¬scheinlichkeit gerade noch unter der Genehmigungsgrenze bleiben, ist mit großer Wahrscheinlichkeit Unfug dabei (S. 26 und 32).
Was ist überhaupt Wahrscheinlichkeit? Ist sie die Eigenschaft eines realen Systems, auf eine wiederholt gestellte Frage verschiedene Antwor¬ten mit bestimmten relativen Häufigkeiten zu geben? Oder ist sie Aus¬druck unserer Unwissenheit über das System, womit sie sich durch unsere Erfahrung ändert? Darüber wird bis in die Gegenwart trefflich gestritten, dem Autor der zweiten Interpretation, Thomas Bayes, verdan¬ken wir eine Formel, die diese Änderung zu berechnen gestattet (S. 74).
Um eine definitive Antwort haben sich die Mathematiker erfolgreich gedrückt. Heute arbeiten sie mit dem Axiomensystem von Andrei Kolmo¬gorow (S. 78), das zwar bestimmt, wie man mit Wahrscheinlichkeiten rechnet, aber jede Aussage über ihr »Wesen« konsequent vermeidet. Und siehe da: Es geht auch ohne. Die abstrakte Theorie liefert belastbare Aussagen darüber, ob es bei einer sportlichen Höchstleistung mit rechten Dingen zugeht (S. 47) oder ob man einen Hitzerekord dem Klimawandel zuschreiben kann (S. 66).
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