Von der Hörbühne am Altmarkt zum »Theater der Dichtung«
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Die Namen Ludwig Tieck und Karl Kraus wecken abgesehen von ihrer etablierten Stellung im Kanon der deutschsprachigen Literatur zunächst wenige Assoziationen, die eine Verbindung nahelegen. Der eine - von seinen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen als »König der Romantik« und »Dichterfürst« in der Nachfolge Goethes hochgeschätzt und zugleich attackiert - errang seinen Platz in der Literaturgeschichte als Autor und einflußreicher Herausgeber, Kritiker und literarischer Vermittler im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Der andere erreichte im Österreich des frühen 20. Jahrhunderts zwischen Monarchie und Austrofaschismus als Satiriker, Sprach- und Pressekritiker eine prominente Anhänger- und Leserschaft.
Was beide Autoren trotz ihrer so unterschiedlichen literarischen Produktion miteinander verbindet, ist ihre Betätigung als Vorleser eigener und fremder literarischer Werke, die Zeit ihres Lebens wesentlich zu ihrer Popularität beitrug, und die besondere Stellung, die Shakespeares Dramen in beider Vorleserepertoire zukommt. Ausgehend von der zentralen Bedeutung Shakespeares im Werk und in den Vorlesungen beider Autoren wird ihre Vorlesetätigkeit in diesem Band in ihrem kulturellen und historischen Kontext dargestellt. Zur Rekonstruktion der Shakespeare-Lesungen Tiecks und Kraus' werden neben literatur- und kunsttheoretischen Äußerungen der beiden Autoren v.a. zahlreiche Berichte von Ohrenzeuginnen und Ohrenzeugen herangezogen. Dabei werden die Traditionslinien, die in von Tieck zu Kraus gezogen werden können, die zeitgebundenen Besonderheiten und das innovative Potential ihrer Shakespeare-Lesungen deutlich.
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