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Tabuisierte Erinnerung

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Dem gerichtlichen Eid eines Juden meinten Christen nicht trauen zu können, zu tief saß der Argwohn, den die Kirche unaufhörlich geschürt hatte. Aus diesem Grund wurde die Eidesleistung eines Juden durch sadistische Torturen erschwert, ihre grausamen Praktiken zwangen ihn häufig dazu, seinen Gott zu verleugnen - Seelenmord als Vorspiel. Von Herrschaft und Kirche gebilligt, in den Amtsstuben des Gerichts weitgehend vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen, wurde geprobt, was wenige Jahrhunderte später, von Staat und Kirche initiiert, ebenfalls verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit, nämlich in den Todeslagern in Osteuropa, perfekt >endgelöst< wurde. Wider allen Erwartens gab es nach der Schoa Juden, die die Katastrophe überlebt hatten: unheimliche Zeugen der totgeschwiegenen Verbrechen, ewige Ankläger. Unter der in kollektive Amnesie verfallenen deutschen Nachkriegsgesellschaft bildeten sie Objekte eines Tabus, eines Berührungsverbots. Seit jeher vom Verschwinden bedroht, wurden sie nun aktiv beschwiegen, aus dem Alltagsbewußtsein ausgegrenzt und in ihrer Existenz verworfen. Evelyn Keidel, Dr. phil. (M.A.), geboren 1936 in Berlin, studierte Germanistik, Geschichte, Kunst, Sozialpsychologie und Religionswissenschaft. Die Autorin arbeitete als Lehrerin, Diplombibliothekarin, Journalistin, Verlagslektorin und in der Erwachsenenbildung. Ihre Buchveröffentlichungen (Vom Judentum zum Christentum - und zurück, Zufall oder Methode, Kinderarzt Dr. Fritz Frensdorff und Juden-Imagines) sind Versuche zur Wiederherstellung eines authentischen jüdischen Menschenbildes, das über zwei Jahrtausende vom tödlichen Haß des christlichen Antijudaismus und später des ideologischen Antisemitismus verzerrt und entstellt worden ist.
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