Statt Gott
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Geschichte ist gefragt und Dienerin manches Herrn. Es werden ihr Eigenschaften und Fähigkeiten verliehen, man verehrt oder fürchtet sie. An der Existenz der Geschichte zweifelt kaum jemand und viele stellen sie sich als höhere Macht vor.
Die Geschichtsgläubigkeit des modernen Menschen ist an die Seite oder an die Stelle des traditionellen Gottesglaubens getreten - die Geschichtsphilosophie vertritt die Theologie, historische Notwendigkeit und historisches Gesetz die Heilsordnung, der Gang der Geschichte die göttliche Vorsehung. Die Sakralisierer der Geschichte imitieren die Riten, tragen die Gewänder, benutzen die Bilder und reden die Sprache der kirchlichen Religiosität.
Gehuldigt wird der Geschichte in den Nationalstaaten: Jeder von ihnen schafft sich seine Geschichte, schart die Bürger um sie und pflanzt sie deren Kindern ein. Das Buch zeigt, wie wir mit dem Wort «Geschichte» umgehen und wie und wo wir der Gottheit «Geschichte» huldigen, es beleuchtet die gesellschaftlichen Dimensionen und Akteure dieser Huldigung, es interessiert sich für die Symptome der chronischen «Berauschung an der Geschichte». Näher betrachtet werden der omnipräsente Leninkult in der UdSSR und die vielfältigen Formen des «Geschichtsdienstes» in der Schweiz: Denkmäler, Historiengemälde und -filme, historische Museen, Romane und Bühnenwerke, Jubiläen und Gedenkmünzen, historischen Persönlichkeiten gewidmete Banknoten und Briefmarken, Namen von Strassen und Plätzen, lokale, kantonale und schweizerische Geschichtsvereine. Zum Schluss wird nach Antworten der Historiker auf die verführerischen Erzählungen der Geschichtsmythen gefragt.
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