Simulative Souveränität
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Um ihre Einsätze bei Straßenprotesten zu trainieren, laufen Polizistinnen und Polizisten in der Rolle von Demonstrierenden durch selbst gebaute Straßenzüge. Sie sind schwarz gekleidet und maskiert, tragen Spruchbanner vor sich her, stimmen Sprechchöre an und halten Redebeiträge. Sie werfen mit Steinen und Molotowcocktails und zünden Autos an. Souveränität ist simulativ geworden. Dies ist die These von Andrea Kretschmann, die sie anhand einer teilnehmenden Beobachtung polizeilicher Simulationen für das Policing von Protest in Europa entwickelt.Im Rahmen dieser Simulationen wird politische Ordnung vor allem auf sinnliche Weise hergestellt: Inszenierung, Theater und Spiel laden die inneren Abläufe der Staatsgewalt mit einer neuen Expressivität auf und lassen ein assoziativ-ereignisgetriebenes Vorgehen erkennen, das im Gegensatz zu klassischen Herangehensweisen dezidiert unsystematisch verfährt. Das hat unmittelbare Folgen für das Politische, denn die polizeilichen Simulationen stützen en gros gegenwärtige kriminalpolitische Tendenzen, Artikulationsformen abseits parlamentarischer Verfahrenswege als Sicherheitsproblem zu betrachten. Zugleich bahnt diese spezifische Perspektivierung des Politischen der Ungleichbehandlung unterschiedlicher politischer Spektren durch die Polizei den Weg. Die Autorin legt mit ihrem Buch eine Kultursoziologie des Staates vor, die dieser Bedeutung des Simulativen im soziologischen Rahmen des Verhältnisses von Gesellschaft, Demokratie und Staatlichkeit innerhalb eines kulturalisierten Kapitalismus Rechnung trägt. Damit gibt sie einen empirisch gesättigten Einblick in eine verschlossene Welt, der für eine kritische Würdigung polizeilicher Tätigkeit wie der spätmodernen Problematik politischer Ordnungsbildung unentbehrlich ist.
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