Semantische Krisen
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»Alternative Fakten« und Verschwörungstheorien, »Wutbürger«, »Querdenker« und »Politikverdrossene« stellen liberale Gesellschaften vor besondere Herausforderungen. Für die Philosophie ist es nicht damit getan, diese Herausforderungen zu beschreiben. Denn an ihnen zeigt sich, dass bereits die Möglichkeit zur gehaltvollen Problembeschreibung, als Form gesellschaftlicher Selbstverständigung, ein Teil der bezeichneten Problemlage ist.
Dabei geht es nicht bloß um Meinungsverschiedenheiten, sondern um die für das Gelingen demokratischer Diskurse essentielle Frage, ob und wie sich Erfahrungen in Urteilen und schließlich Meinungen organisieren. Verstehen wir einander überhaupt, meinen wir dasselbe?
Die in vorliegendem Buch vorgestellte Theorie Semantischer Krisen geht davon aus, dass ein qualitativer Zusammenhang besteht zwischen der Selbstverständigung einer Gesellschaft und den Objekten dieser Reflexionsversuche, nämlich den zu bearbeitenden (sozialen) Problemen. Die These ist, dass nur eine Gesellschaft, die ihre Probleme nachhaltig löst, sich langfristig sinnvoll verständigen kann: In Urteile eingebrachte Begriffe erweisen sich als sinnvoll, wenn sie zur erfolgreichen Bearbeitung von Problemen beitragen.
Diese grundsätzliche Beziehung zwischen Verstehen (Urteilen) und Handeln (Problemlösen) wird in der spätmodernen, digitalen Öffentlichkeit zugleich besonders relevant wie auch zweifelhaft, da der Prozess der Problembearbeitung hier zunehmend die kommunikativen Ressourcen beeinträchtigt, auf die er an anderer Stelle angewiesen ist. Wo Bürgerinnen und Bürger etwas lernen können sollten, finden sie sich in Situationen wieder, aus denen sich gerade nichts lernen lässt.
Das Buch sucht Antworten auf die Fragen, die sich aus dem gegenwärtigen »Strukturwandel der Öffentlichkeit« (Habermas) unter digitalen Bedingungen ergeben, und testet sie am Beispiel des Umgangs mit der ökologischen Krise, die selbst als Test - der Fähigkeit zur erfolgreichen Verständigung und Problemlösung - begriffen wird.
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