Melancholie
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Wer Melancholie definitorisch festschreiben möchte, sieht sich mit einem flüchtigen Phänomen konfrontiert. Melancholie widersetzt sich dem Zugriff disziplinärer Eingrenzung und Lokalisierung, weil sie mit und durch die Frage nach ihrem eigentlichen Ort entsteht. Wer Melancholie zu erfassen sucht, wird von ihr selbst ergriffen, weil die Suche der Melancholie nach Orientierung und Sinn zur infragestellung des Fragenden wird. Philosophie und Psychoanalyse streiten sich, scheitern aber als Disziplin beide an der Unfassbarkeit dieses Affektes.
In der Literatur jedoch befällt Melancholie das Zentrum jeder räumlichen Orientierung: den eigenen Körper. Sie schlägt ihm Wunden und provoziert damit auch Fragen nach der Leiblichkeit der Darstellung selbst und nach einer der Melancholie angemessenen Entäußerungsform. Autoren so unterschiedlicher Provinienz wie Freud, Binswanger, Kristeva, Abraham, Torok, Heidegger, Rilke und Robert Walser entdecken Melancholie als Sitz des Sprachlichen, dessen Exzessivität das Erzählen zum Verstummen bringt und Schrift in Bilder-Landschaften verwandelt.
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