Mehr als die Summe seiner Symptome
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Das Williams-Beuren-Syndrom (WBS) ist eine seltene neuropsychologische Entwicklungsstörung, die zumeist mit einer geistigen Behinderung einhergeht. Ausgangspunkt des veränderten Entwicklungspfades sind Genverluste auf dem Chromosom 7. Seit über 30 Jahren haben das neurokognitive Profil (hohe sprachliche Flüssigkeit und Kompetenz, große Probleme beim räumlichen Denken und Handeln) und das rätselhafte Sozialverhalten zu intensiver disziplinübergreifender Forschungstätigkeit angeregt. Die Identifizierung des genetischen Markers und die Aufdeckung der hirnfunktionellen Ursachen für die räumlich-konstruktiven Denk- und Handlungsprobleme gelten als Meilensteine der WBS-Forschung. Dennoch ist Ernüchterung eingetreten, denn die erhofften einfachen Rückschlüsse vom Geno- zum Phänotyp erweisen sich erkenntnistheoretisch als illusorisch und lebensweltlich fragwürdig: Es gibt kaum Nutzen aus der Grundlagenforschung, das Syndrom erscheint nur als Summe von Symptomen, die Eltern finden in der defektorientierten Literatur wenig Subjektbezug. Ursächlich hierfür ist der gegenwärtig dominierende Forschungsansatz, die Quellen bewusster psychischer Prozesse und des Verhaltens - sowie deren mögliche Störungen unter den Bedingungen des WBS - entweder in den Tiefen der Gene, des Gehirns oder des Geistes zu suchen. Dieser Reduktionismus von oben bzw. von unten lässt jedoch außer Acht, was für Eltern und Pädagogen im Zentrum des Interesses steht: das fühlende, denkende und widersprüchlich handelnde Subjekt. Mithilfe der kulturhistorischen Theorie (VYGOTSKIJ, LEONT'EV, LURIJA und JANTZEN) und deren Ansatz, die Quellen der bewussten Tätigkeit und des Verhaltens in den äußeren Lebensbedingungen des gesellschaftlichen Lebens zu identifizieren, schließt Ingolf PROSETZKY diese Lücke. Seine methodologische Arbeit verbindet das »zersplitterte« Forschungsfeld, ermöglicht durch den subjekt- und entwicklungsorientierten Zugang ein ganzheitliches Syndrombild und zeigt pädagogische Handlungsperspektiven auf.
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