Matriarchatsfiktionen
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Die nach wie vor brisante Frage nach dem Verhältnis der Geschlechter und nach den Ursachen für ihre soziale Ungleichheit wurde nie zuvor so nachhaltig und radikal gestellt wie vom Schweizer Juristen und Altertumskundler Johann Jakob Bachofen. Zu seinen Lebzeiten wenig beachtet und heute einer der Autoren, die fast jeder kennt und kaum einer liest, wurde er gegen Ende des 19. und im Lauf des 20. Jahrhunderts in intermittierenden Schüben wechselweise von Feministinnen und Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten, Faschisten und Nationalsozialisten wiederentdeckt. Dabei lag der eigentliche Höhepunkt seiner Rezeptionskarriere in den späteren 1920er und den frühen 1930er Jahren.
Anders nämlich, als man aus heutiger Perspektive extrapolieren könnte, war Bachofen in der Zwischenkriegszeit nicht der «glorieux inconnu», als der er heute gelegentlich noch herumgeboten wird, ohne dass sich an den bekannt gebliebenen Namen viel mehr heftete als der in aller Regel ganz falsch oder bestenfalls halb richtig verstandene Titel seines opus potissimum von 1861, Das Mutterrecht. In den germanophonen Ländern bzw. Landesteilen der Zwischenkriegszeit erlebte er ab Mitte der 1920er Jahre eine nie zuvor und hernach nicht wieder dagewesene Konjunktur. Um die Wirkung zu dokumentieren, die von seiner Matriarchatstheorie auf die deutsche Literatur ausging, versammelt der Band Beiträge zur Bachofen-Rezeption von Karl Wolfskehl, Hugo von Hofmannsthal, Franz Kafka, Arthur Schnitzler, Gerhart Hauptmann, Elias Canetti, Hermann Broch, Thomas Mann und Hans Boesch - sowie zu Bachofens Einfluss auf Fritz Langs Metropolis.
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