Liedertagebuch X
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Im Jahr 1855 reflektiert der knapp 70-jährige Friedrich Rückert die Ereignisse der engeren und weiteren Umgebung im Lichte seiner Weisheit, und er erfreut sich vor allem an seinem Garten und der ihn umgebenden Natur, die er fast bukolisch - und dementsprechend vorwiegend in klassischem Versmaßen - besingt. Aber gerade indem er das scheinbar Alltägliche, das für selbstverständlich Gehaltene wachen Sinnes und äußerst detailliert beschreibt, führt er uns die Bedrohung dieser Idylle deutlich vor Augen: Gottes freie Natur erweist sich zunehmend als Wunschwelt, die durch die aufkommende Naturwissenschaft und Technik immer weiter zergliedert und damit endgültig entseelt wird, die bäuerliche Landwirtschaft mutiert langsam aber sicher zur Agrikultur und macht die Beengtheit der ländliche Verhältnisse in jeder Hinsicht um so deutlicher spürbar: Das einzig Beständige scheint nun die stetige Umwälzung aller Lebensbereiche zu sein - und dagegen gilt es mit allen verbliebenen Kräften anzuschreiben, um zumindest die eigene Erinnerung zu retten -, wenn schon für Rückert und seine Generation nur noch wenig Aussicht auf eine wünschenswerte Zukunft besteht.
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