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Kunstgeschichtliche Grundbegriffe

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Wölfflins überragendes Verdienst ist es, der Kunstwissenschaft neue Grundlagen gegeben zu haben. Einer seiner wichtigsten Sätze lautet: «Die bildende Kunst, die Kunst des Auges, hat ihre eigenen Voraussetzungen und ihre eigenen Lebensgesetze». Was heisst das? Das heisst vor allem, dass es in der Kunst zwar auch um die individuelle Künstlerpersönlichkeit und um die Aussage geht, dass es aber daneben - oder besser gesagt darüber - eine selbständige Entwicklung der Form gibt. Das Formgefühl wandelt sich. Auch haben keineswegs alle Nationen das gleiche Formgefühl. Diese Erkenntnisse führten Wölfflin zu seinen beiden Hauptanliegen: zu seinen Untersuchungen über den Charakter und die Gesetzmässigkeit der Formentwicklung sowie die nationale Verschiedenheit des Formgefühls. Das setzte voraus, dass man überhaupt erst einmal Formen schärfer sehen und gegeneinander abgrenzen lernte. In diesem Buch hat Wölfflin nicht nur die Notwendigkeit der Erforschung der Formensprache aufgezeigt, sondern er hat - wenn auch begrenzt auf Beispiele aus den beiden Gegenwelten Renaissance und Barock - darüber hinaus das erste brauchbare Schema für Stilunterscheidungen gegeben. Wölfflin ist dabei zu fünf «Begriffspaaren» gekommen: das Lineare und das Malerische, Fläche und Tiefe, geschlossene Form und offene Form, Vielheit und Einheit, Klarheit und Unklarheit. Wölfflin räumte ein, dass noch andere solche Begriffspaare oder «Kategorien der Anschauung», wie er sie genialerweise genannt hat, denkbar wären, aber setzte hinzu, dass ihm selbst keine weiteren erkennbar geworden seien. Es hat in der Folge nicht an Kritikern gefehlt, denen diese fünf Kriterien zu wenig und nicht spezifiziert genug waren. Aber es ist auf der anderen Seite eben doch immer wieder von neuem zum Erstaunen, wie weit man mit den von Wölfflin aufgestellten Kategorien kommt, wie weit man die Bestimmung und Einkreisung damit treiben kann. Leitthema und Hauptergebnis der «Grundbegriffe» sind damit genannt. Aber das Buch wäre nicht, was es ist, ohne die meisterhafte Beweisführung im einzelnen. Was «Formensehen» heisst, macht Wölfflin an vielen Beispielen deutlich. Und stets von neuem gelingt es ihm nachzuweisen, dass nicht der Inhalt, nicht die Aussage das Entscheidende - das Trennende oder Verbindende - sind, sondern dass die Form das Eigentliche der Kunst ausmacht. (Edwin Kuntz)
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