Kinderblutbriefe
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Bei Lyrik von Rang ist immer genaues Hinsehen, genaues Hinhören erforderlich. Dies gilt in besonderem Maße für die Gedichte von RO Willaschek. Im >Hauptberuf< anerkannter Grafiker und Fotokünstler, obendrein Musiker und Multi-Instrumentalist, arbeitet der Autor in seinen Texten nicht nur mit Worten, Schriftbild und inhaltsunabhängiger Klang spielen eine ebenbürtige Rolle. Norbert Lennartz konstatierte: »Wie William Blake, Dante Gabriel Rosetti, Ernst Barlach u.v.a. ist auch RO Willaschek ein für die Komparatistik relevanter Künstler, der die Affinität und wechselseitige Durchdringung der Künste mit Überzeugung demonstriert. Die seine Künstlerbiographie seit den Anfängen begleitende Multimedialität von Musik, Lyrik, Photographie, Film, Performance und Bildkunstwerk dient hierbei nicht nur der Möglichkeit einer modifizierenden Ausdrucksvielfalt, sondern ist auch die Konsequenz einer romantisch-anachronistisch anmutenden Suche nach dem Gesamtkunstwerk, (...)«
Wie übergenau man hinzusehen hat, wenn man die extrem sublime Arbeitsweise dieses Dichters ganz erfassen will, mag ein einziges Beispiel zeigen: Im gesamten Lyrikapparat des hier vorliegenden Werks existiert keinerlei >klassische< Interpunktion, der Leser wird alleine von der Wortwahl und -setzung durch die Zeilen geführt. Nur an einer einzigen Stelle durchbricht Willaschek dieses Schema und setzt ein Satzzeichen. Es ist ein Fragezeichen, das eben wegen seiner Singularität wie ein Donnerschlag wirkt! Der Text davor lautet: »Nimmst Du es überhaupt noch wahr?«. Und genau das ist die Frage, mit der sich alle Werke dieses Multimedialen befassen. In einer Art >Mise en abyme< öffnet dieses scheinbar simple Fragezeichen ein ganzes Spiegelkabinett von Bezügen und Rückbezügen. Vor allem aber stellt der Autor uns, den Lesern, die alles entscheidende Frage, deren Beantwortung ohne Übertreibung den Gang der Menschheitsgeschichte beeinflussen wird: »Nimmst Du es überhaupt noch wahr?«
(Hans-Joachim Griebe)
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