Kants «Tantalischer Schmertz»
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Acht Jahre nach Beendigung seines «kritischen Geschäfts» schreibt Kant an den befreundeten Christian Garve, daß er von einem «Tantalischen Schmertz» wegen der nicht erlangten Einsicht in das «Ganze der Philosophie» gequält werde. Diese Studie (ein erweiterter Habilitationsvortrag) versucht, jenen Schmertz in stetem Bezug zu Kantischen Schriften zu diagnostizieren und Vorschläge zu seiner Linderung zu unterbreiten. Kants Mitteilung, daß sein Kritizismus von der «Idee des Ganzen» und der wechselseitigen Beziehung seiner Einzelmomente geleitet werde, wird zum Anlaß, in umfangreichen ideengeschichtlichen Recherchen bei vornehmlich «vorkritischen» Autoren (wie z.B. Platon, Aristoteles, Augustinus, Thomas von Aquin, Cusanus, Comenius und Leibniz) die Struktur relational-subsistenter Ganzheitlichkeit ausfindig zu machen. Die Einsicht in diese Struktur erlaubt es u.a., die quaestio vexata der Kantforschung - die Erläuterung der Kategorientafel - in sprachontologischer Perspektive einer Lösung zuzuführen. Durch den akt-theoretisch aufgehellten Zusammenhang von Seins-, Erkenntnis- und Handlungs-Momenten wird es zudem möglich, die wechselseitige Beziehung der drei Kantischen Kritiken als Ganzheit zu erfassen. Die These ist, daß eben dadurch das positive Grundanliegen des Kantischen Kritizismus - der (von Hume ausgelöste) Versuch einer Widerlegung des Skeptizismus und Indifferentismus durch Erneuerung der Metaphysik - zur Entfaltung gebracht wird. Die Studie ist eingebettet in ideengeschichtliche Vor- und Nachbemerkungen: Auf bisher fast unbekannten doxographischen Bahnen wird zunächst - durch die Darstellung des antitrinitarischen Sozinianismus - eine «Aufklärung» des Zustandekommens der Aufklärungsphilosophie unternommen. Die abschließenden Erläuterungen wollen zeigen, daß Kant zu Unrecht als «Kronzeuge» des postmodernen Rationalitäten-Pluralismus zitiert wird, sondern (was vor allem in der Durchmusterung der Habermasschen Kantrezeption herausgearbeitet wird) ein beachtliches Potential für ein integrales Selbst- und Wirklichkeitsverständnis aufzuweisen hat.
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