Haltlos | Im Kosmos der Propagandakompanie
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1970 bricht der 16-jährige Lukas aus, aus dem elterlichen Haus in der brandenburgischen Provinz im Havelluch. Die Mutter Lehrerin, aber mit der Erziehung ihrer vier Kinder überfordert. Der Vater einer, den es zu Hause nur selten hält, eher im Wirtshaus auf der anderen Seite des Ortes. Familienidylle sieht anders aus. Im Dorf vermischt sich der Geruch der Provinz mit dem noch weit verbreiteten Mief aus dem Dritten Reich. Sehnsucht nach einem anderen Leben, nach echtem Halt. Nach einer Struktur, die ihn daran glauben lässt, dass die vielen Träume wahr werden können: Endlich Menschen treffen, mit denen es sich wirklich plaudern lässt über Gott und die Welt und den Sinn des Lebens. Über dieses Land, das er eigentlich mag und in dem er sich geborgen fühlt - in dem aber ganz offenbar einiges schiefläuft. Plaudern über verbaute Wege, verwehrte Chancen. Über all diese Träume. Vielleicht doch noch einen besseren Schulabschluss hinzubekommen als die Prüfung der Zehnten mit nur mäßigen Ergebnissen. Vielleicht doch noch studieren. Elektrotechnik, Elektronik. Ausbrechen aus einem Kosmos, in dem es nur so wimmelt vor Desinteressierten, Hinterwäldlern, Trinkern, Banausen und Altnazis. Stattdessen aber bestimmen bald Partys, Alkohol und Rumtreiberei auch Lukas' Alltag. Die Umwelt formt den Menschen.
Der 16-Jährige sucht sein Glück in einer Berufsausbildung im fernen Frankfurt (Oder). Im Elternhaus lässt er sich kaum noch blicken. Ein wenig familiäre Wärme findet er nun im kleinen Häuschen der Großmutter in einer Waldsiedlung am Rande Berlins. Dort klopft eines Tages ein Mann an die Tür, stellt sich als Berater aus dem Wehrkreiskommando vor. "Lukas, wir müssen reden. Du hast dich bei der Musterung für die Volksmarine beworben? Einfach so...? Stimmt's, du möchtest auf ein Schiff...? Willst weit weg. Das wird leider nichts! Alles belegt." Und wieder droht ein Traum zu platzen.
Lukas plagt schon lange das Fernweh. Die Handelsmarine? Als Anker und Halt? Keine Chance. Er hat geschrieben, sich beworben. Absagen. Vielleicht aber könnte ein Armeedienst bei der Volksmarine doch noch Türen öffnen. Und dann die schmucke Uniform! Blau-weiß statt Oliv. Immer, wenn irgendwo ein Marinesoldat auftaucht, verdrehen die Mädchen verzückt ihre Hälse. Ein prickelnder Gedanke. Zeitsoldat für drei oder vier Jahre? Warum nicht! Das kann sich Lukas durchaus vorstellen. Möglicherweise eine Gelegenheit, etwas Ordnung zu schaffen im Leben.
"Es gibt da allerdings noch eine Möglichkeit", wirft der Wehrdienstberater überraschend einen Köder aus. "Ich weiß, dass du leidenschaftlich gern fotografierst, dass du gern liest und sogar schreibst und dass du ein begeisterter Elektronik-Bastler bist." Tatsächlich! Woher weiß er das? "Bei der Volksmarine wird eine sehr interessante Stelle geschaffen, bei der dies alles zu deinem Alltag gehören könnte. Das und noch viel mehr von dem, was dich umtreibt. Einzige Voraussetzung: Du musst dich verpflichten, zehn Jahre als Berufsunteroffizier zu dienen."
Der Roman "Haltlos | Im Kosmos der Propagandakompanie" erzählt die Geschichte des Lukas R. Heine und skizziert dabei die 1970er Jahre in der DDR, betrachtet aus einem ganz besonderen Kosmos - dem eines orientierungsverunsicherten Teenagers, der schließlich als Berufsunteroffizier in einer Propagandakompanie der Nationalen Volksarmee strandet. Der Autor Robert Lukas Heine leiht dem Romanhelden seinen Namen. Die Episoden, die er erzählt, sind zum Teil so absurd, dass sie nur schwer zu glauben sind. "Ob der Leser das alles für bare Münze nimmt oder als ausgedacht ansieht, ist am Ende egal", sagt Heine. "Tatsache ist: Die Kulisse, in der das alles spielt, ist gesellschaftliche Wirklichkeit von damals. Das meiste tatsächlich so geschehen. So - oder zumindest so ähnlich. Die Namen der Figuren sind allesamt ausgedacht - bis auf ein paar so genannte öffentliche Personen, die weiter so heißen, wie sie halt hießen oder noch heißen."
Der Begriff Propagandakompanie wird meist mit einer Spezialeinheit der Wehrmacht assoziiert. Propagandakompanien schuf aber auch die Nationale Volksarmee in der 1970er Jahren. Ein unterhaltsamer historischer Roman, der uns in einen bisher wenig beleuchteten Winkel deutscher Geschichte entführt.
Erscheint im August