Grete Minde - Nach einer altmärkischen Chronik
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Klassiker aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, , Sprache: Deutsch, Abstract: Erstes Kapitel***
Das Hänflingnest***
»Weißt du, Grete, wir haben ein Nest in unserm Garten, und ganz niedrig, und zwei Junge drin.«
»Das wäre! Wo denn? Ist es ein Fink oder eine Nachtigall?« »Ich sag es nicht. Du mußt es raten.«
Diese Worte waren an einem überwachsenen Zaun, der zwei Nachbargärten voneinander trennte, gesprochen worden. Die Sprechenden, ein Mädchen und ein Knabe, ließen sich nur halb erkennen, denn so hoch sie standen, so waren die Himbeerbüsche hüben und drüben doch noch höher und wuchsen ihnen bis über die Brust.
»Bitte, Valtin«, fuhr das Mädchen fort, »sag es mir.«
»Rate.«
»Ich kann nicht. Und ich will auch nicht.«
»Du könntest schon, wenn du wolltest. Sieh nur«, und dabei wies er mit dem Zeigefinger auf einen kleinen Vogel, der eben über ihre Köpfe hinflog und sich auf eine hohe Hanfstaude niedersetzte.
»Sieh«, wiederholte Valtin.
»Ein Hänfling?«
»Geraten.«
Der Vogel wiegte sich eine Weile, zwitscherte und flog dann wieder in den Garten zurück, in dem er sein Nest hatte. Die beiden Kinder folgten ihm neugierig mit ihren Augen.
»Denke dir«, sagte Grete, »ich habe noch kein Vogelnest gesehen: bloß die zwei Schwalbennester auf unsrem Flur. Und ein Schwalbennest ist eigentlich gar kein Nest.«
»Höre, Grete, ich glaube, da hast du recht.«
»Ein richtiges Nest, ich meine von einem Vogel, nicht ein Krähen- oder Storchennest, das muß so weich sein wie der Flachs von Reginens Wocken.«[...]
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