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Grenzpolitik der Experten

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Die Bemühungen um eine Neubestimmung von Unterscheidungen wie gesund und krank oder Leben und Tod lassen sich als notwendige Reaktion auf neue Uneindeutigkeiten verstehen. Grenzpolitik der Experten ist daher nicht einfach gleichbedeutend mit strategi-scher Rhetorik zur Durchsetzung wissenschaftlicher Autonomieansprüche, sie ist vielmehr Ausdruck einer Suche nach Neuorientierungen jenseits überkommener Leitdifferenzen und Unterscheidungen. Für die Wissenschaftsforschung sind gerade die den konkreten Grenzarbeiten zugrunde liegenden Rationalitäten und Orientierungen von Interesse. Im vorliegenden Buch wird am Beispiel pränataler Diagnostik und Beratung gezeigt, dass die Grenzpolitik der Experten maßgeblich durch den impliziten Rekurs auf gesellschaftliche Leitwerte und Normalitäts-vorstellungen strukturiert ist. Diese enge Kopplung von expertiellen Handlungsorientie-rungen und gesellschaftlichen Leitwerten, so die These, erweist sich gerade in jenen Grenzfällen, wo das für die moderne Medizin konstitutive Kategoriensystem an interpreta-tiver Kraft verliert, als funktional für die Legitimation professioneller Autorität. Sie trägt dazu bei, die Zuständigkeit der klinischen Pränataldiagnostik für uneindeutige, den medi-zinischen Code transzendierende Phänomene zu plausibilisieren. Tatsächlich werden die Experten in vielen Fällen mit Phänomenen konfrontiert (wie zum Beispiel genetischen Anomalien und Behinderungen), die heute nicht mehr ohne weiteres einem medizinischen Deutungs- und Relevanzrahmen subsumierbar sind, traditionelle Entscheidungs- und (Be-)Handlungsroutinen werden in der Folge diskursiv aufgebrochen. Dies hat Folgen für die genetische Beratung. Die Konfrontation der Experten mit Unge-wissheit und Nichtwissen resultiert in der Aufwertung eines wertneutralen und klienten-zentrierten Beratungsideals und damit zentraler Leitwerte wie Autonomie und individuelle Entscheidungsfreiheit. Das heißt, nicht zuletzt in Abgrenzung zu eugenischen Praktiken werden für die moderne Humangenetik das Individuum und die individuellen Wertvorstel-lungen zum maßgeblichen Bezugspunkt professionellen Handelns. Diese Aufwertung der Laienposition lässt sich nun leicht als ein Indiz für die Herausbildung eines reflexiven Expertentyps lesen. Die vorliegende Analyse geht jedoch in eine andere Richtung. Mit Blick auf die den konkreten Entscheidungsprozessen zugrunde liegenden Rationalitäten und Relevanzsetzungen wird argumentiert, dass eine solche Entstaatlichung und Individua-lisierung der Biopolitik (Life-Politics) nicht gleichbedeutend ist mit einer reflexiven Praxis. Reflexivität im normativen Sinn, so das abschließende Plädoyer, hätte eine Institu-tionalisierung von alternativen Wissensformen und Rationalitäten zur Voraussetzung.
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