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Gottfried Keller

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Das von großen Mächten Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien wie ein Edelstein eingefaßte Land Schweiz, zwischen unzugänglich hohe und mittlere Gebirge gelagert, die die Quellen starker Ströme bergen, wird von einem Volke bewohnt, das wie kein anderes mit dem Boden, aus dem es gewachsen ist, zusammenhängt und Herr in dem Hause ist, das es sich unter Kämpfen selbst gebaut hat. Von Fremden beneidet oder gehaßt, ist es seiner teils natürlichen teils absichtlichen Zurückhaltung wegen wenig von ihnen gekannt und hat sich bis jetzt, obwohl beständig von Ausländern heimgesucht und selbst zum Zwecke des Erwerbs und der Ausbildung viel im Auslande sich aufhaltend, in seiner ausdrucksvollen Besonderheit erhalten. Die Schweizer sind ein durchaus aristokratisches und konservatives Volk: vor allen Dingen die eigentlichen Aristokraten, Nachkommen der regierenden Geschlechter, aristokratischer als irgendwo, weil zugleich mit dem Bewußtsein der Überlegenheit durchdrungen und beseelt von dem Gefühl der Verpflichtung, den Tieferstehenden als Muster zu dienen, aber ebensowohl die bürgerlichen Städter, deren Ahnen seit undenklicher Zeit jeder an seinem Teil an den allgemeinen und persönlichen Geschäften mitwirkten und eine wohlerworbene Stelle in der scharfen Freiheit des Gemeinwesens ausfüllten, wie schließlich die Landbewohner, die es überall sind, die allerdings in den städtischen Kantonen durch ihre vergleichsweise rechtlose, untergeordnete Lage auf die demokratische Linke gedrängt wurden. Die Tugenden der Ausdauer, des Rechtsgefühls, der Sachlichkeit und der Selbstbeherrschung, die ihnen allein das Kleinod der Freiheit bewahrten in den Zeiten, wo es die Völker ringsumher sich entwenden oder entreißen ließen, haben sich immer mehr befestigt, so daß der Ausländer mit Staunen sehen kann, wie ein ganzes Volk trotz aller Abweichungen im einzelnen, mit Vernunft und Besonnenheit handelt, den eigenen Vorteil, wie es sich gehört, im Auge behält, ohne unbillig gegen andre zu sein, mit sich selbst zufrieden, wie es die Art der Gesunden und Guten ist, doch geneigt von andern zu lernen. Elend und Verbrechen trüben das schöne Bild nicht so, wie es in anderen Ländern der Fall ist, weil die Beherrschung der Leidenschaften, die freilich in dem harten Lande auch nicht so hitzig sind wie anderswo, einen leidlichen allgemeinen Wohlstand ermöglicht. So geschieht es, daß der Schweizer häufig von Ausländern wegen seiner Ungeschliffenheit verlacht wird, während er doch mehr Kultur hat als jene, insofern als er durch Jahrhunderte sich nach einem bestimmten Ideale gebildet hat und nun im Besitze nicht blendender, aber humaner und erhaltender Eigenschaften ist.
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