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Die Frage nach dem Wesen des Bildes ist alt. Schon für den italienischen Juristen Alciatus war die Antwort klar: Das Bild ist eine falsche Wahrheit, denn es stimmt niemals mit dem überein, was es zeigt. Diese Erkenntnis mag in Zeiten allgegenwärtiger Medienpräsenz banal erscheinen, doch was wäre, wenn das Leben in fiktiven Welten kein modernes Problem, sondern die Grundlage unserer Existenz darstellte? Der Rechtshistoriker und Psychoanalytiker Pierre Legendre beschäftigt sich mit der Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Bindung des Einzelnen an die Gemeinschaft. Jede Kultur, so seine These, hängt von der narzisstischen Grundkonstitution ihrer Mitglieder ab, die in den Dienst der Gemeinschaft gestellt werden muss. Diese Transformation des Menschen zum gesellschaftsfähigen Wesen ist ohne die mediale Verschiebung des Narzissmus auf die Ebene der Gesellschaft nicht zu leisten, denn kein normatives System kann ohne Repräsentation existieren. Der Spiegel, den uns die Kultur vorhält, zeigt also eine Fälschung, an die wir glauben sollen und an die wir glauben müssen. Daran, so Legendre, kann auch die vermeintliche Rationalität der Wissenschaft nichts ändern.