Goldingers Buch
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Als Johanna dem Psychoanalytiker Goldinger das erste Mal begegnet, fühlt sie sich sofort verstanden. Er weiß, dass die Heimat ihrer Mutter früher Warthegau hieß, und scheint mehr Zusammenhänge zu erkennen als sie selbst. Vielleicht weiß er also auch, was in ihrem Leben schief läuft. Johanna möchte nicht so werden wie ihre gefühlskalte Mutter und der alkoholkranke Vater. Aber kann man dem Erbe der eigenen Eltern überhaupt entrinnen? Mit Goldingers Hilfe versucht sie, die Vergangenheit der Mutter zu rekonstruieren und die Puzzleteile der Familiengeschichte zusammenzufügen. Das Bild des geerbten Buches, das von den Eltern an das Kind weitergereicht wird, gefällt ihm sehr. Johanna dagegen möchte kein Buch von ihrer Familie erben. Was für ein Buch soll das auch sein! Als ihr Vater stirbt, ist sie untröstlich, weil sie entsetzt begreift, dass auch sie selbst und die Menschen, die sie liebt, eines Tages sterben werden. Goldinger findet ihre Trauer zwar verständlich, ihre Angst jedoch neurotisch. "Selbstverständlich kann alles passieren, wovor Neurotiker sich fürchten. Morgen schon kann ich umfallen und tot sein und Sie auch! Sie müssen damit leben, dass Ihnen ein Ziegelstein auf den Kopf fallen kann, wenn Sie die Praxis verlassen", stellt er unbarmherzig fest. "Sie haben sich ja auch noch nie vorgestellt, das Haus könne über uns einstürzen." Johanna ahnt jedoch, dass diese Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht ganz aufgehen wird. Goldinger ist vor Alter, Krankheit und Tod genauso wenig geschützt wie sie selbst und so fürchtet sie sich weniger vor einem Einsturz des Hauses, sondern davor, eines Tages dem Sarg des Analytikers im Treppenhaus begegnen zu müssen.
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