Gesamtausgabe Bd. 23 - Die Theologie Calvins 1922
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Nach seiner Berufung auf den Lehrstuhl für Reformierte Theologie der Universität Göttingen (1921) widmete Barth die erste große Vorlesung der Darstellung der Theologie Calvins. Der Hauptteil der Vorlesung besteht aus einer zum großen Teil aus Primärquellen gewonnenen minutiösen Nachzeichnung von Calvins Leben. Darin eingeflochten sind eingehende Interpretationen seiner Schriften in der Reihenfolge ihres Entstehens. Infolge ihrer Breite bricht die Darstellung bereits im Jahr 1538 ab. Ihr entscheidendes Gepräge empfängt die Vorlesung durch einen tiefschürfenden, wohldokumentierten Vorbau, in welchem Barth eigenständige Gedanken über die theologische Bedeutung der Geschichte entwickelt. Wenn Gotteserkenntnis in der Reformation als 'ein jäh auftauchendes Neues und ganz Anderes' verstanden wird, wie verhält sie sich zur Relativität der Geschichte? Das ist die Denkaufgabe, der sich Barth - im Anschluß an die Auslegung des Römerbriefs - stellt. In einem ersten Durchgang wird die Reformation sowohl gegen das Mittelalter wie auch gegen die Neuzeit abgehoben im Bild der Vertikale, die senkrecht auf die Horizontale menschlichen Denkens und Tuns trifft. Der zweite Durchgang zeigt den Unterschied zwischen der Reformation 'erster Wendung' (Luther) und derjenigen 'zweiter Wendung' (Zwingli, Calvin): die geschichtliche Aufgabe der letzteren ist die 'Auseinandersetzung mit dem Mittelalter-Neuzeit-Problem der Ethik, das bei Luther gleichsam für eine Sekunde zwischen den Zeiten suspendiert erscheint'. Diese weite Perspektive verleiht dem Text eine Spannkraft, die auch dort nie nachläßt, wo Barth Calvins Leben in liebevoller Kleinmalerei vor uns ausbreitet und seinen Gedankengängen bis in feinste Verästelungen folgt.
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