Gesammelte Briefe. 6 Bände
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Der Zwang, die ungesicherte Existenz des freien Schriftstellers zu führen, den bis zu seinem Tod nicht mehr abreißenden Kampf um die eigene Reproduktion und die Bedingungen seiner literarischen Arbeit zu bestehen, wird zum bestimmenden Moment in Benjamins Leben in den Jahren nach dem endgültigen Scheitern des Habilitationsversuchs im Sommer 1925. Bereits während der letzten Monate des laufenden Habilitationsverfahrens ist Benjamin darauf verwiesen, nach Auftragsarbeiten Ausschau zu halten. Durch die Vermittlung Hugo von Hofmannsthals übernimmt er die Übersetzung der »Anabase« von Saint-John Perse, eine Arbeit, die am Anfang seines Versuches steht, sich in den nächsten Jahren als Übersetzer und Kritiker zu etablieren. Noch im gleichen Jahr wird ihm die Übersetzung von Prousts »Sodome et Gomorrhe« übertragen, im folgenden Jahr übersetzt er zusammen mit Franz Hessel »Im Schatten junger Mädchen« und »Die Herzogin von Guermantes«. Hessel hatte Benjamin auch die Beziehung zum Rowohlt Verlag eröffnet, in dem 1928. nach einer quälend langen Publikationsgeschichte, die »Einbahnstraße« und das »Trauerspielbuch« erscheinen, Hofmannsthal wiederum empfiehlt Benjamins Arbeiten Max Rychner, dessen Monatsschrift, die »Neue Schweizer Rundschau«, neben der »Literarischen Welt« eines seiner wichtigsten Publikationsorgane werden sollte. Die Briefe an Siegfried Kracauer, der in diesen Jahren Feuilletonredakteur der »Frankfurter Zeitung« war, zeigen den Journalisten und Rezensenten Benjamin, der mit zahlreichen Auftragsarbeiten die wenigen autonomen Arbeiten dieser Jahre, vor allem wohl die begonnene Arbeit an den »Pariser Passagen«, zu finanzieren suchte. Ungeachtet des Schmählichen seiner Verdienstschreiberei versuchte Benjamin, dem »Niedergang der literarischen Kritik« zu steuern und in den großen Essays über Gottfried Keller. Proust oder Julien Green einen Begriff literarischer Kritik zu realisieren, der seinen Anspruch, »le premier critique de la littérature allemande« zu werden, begründen sollte. Neben solchen Briefen, die Benjamin als »Strategen im Literaturkampf« zeigen, stehen eher private an vertraute Freunde wie Jula und Fritz Radi, Alfred und Grete Cohn und natürlich die großen Berichte an Gershom Scholem. Benjamin »an der Schwelle der vierzig ohne Besitz und Stellung. Wohnung und Vermögen«, wie er seine äußere Lage Scholem im Brief charakterisiert, kehrt nach seiner Nordlandreise im Sommer desselben Jahres zurück ins »Provisorium« nach Berlin. Sein lakonischer Satz: »Ich habe von der deutschen Situation wenig zu erwarten«, wie er Anfang 1931 Scholem gegenüber formulierte, sollte sich nur allzubald bestätigen.
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