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Festhalten an Freud

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»Festhalten an Freud« - Festhalten hat einen apologetischen Zug und in der Tat: Hirnforschung, Traumforschung, Verhaltensforschung scheinen über Freud hinweggegangen, seine Spekulation über die Frühzeit des Menschengeschlechts nurmehr ein Exempel spätaufklärerischer Mythenbildung zu sein, Soziologen konstatieren das Ende seiner seismischen Wirksamkeit, er wird heute vorzugsweise aus historischem oder literatischem Interesse gelesen, und selbst in seiner eigenen Disziplin, der Psychoanalyse, haben die Schulen ihn und sein therapeutisches Instrumentarium mit Ehrerbietung hinter sich gelassen. Als ich 1989 eine Rede Freud zu Ehren hilet, zu seinem 50. Todestag also, galt sie keinem Toten. Ich konnte sie demgemäß mit einem offenkundig doppeldeutigen Titel versehen: »Anfangen mit Freud«. Das war einerseits historiographisch, andererseits appellativ gemeint. Zu erzählen war die tröpfelnde, dann politisch explodierende und bald danach von einer dogmatischen Linken kassierte Wiederauferstehung Freuds an den Berliner Universitäten nach der damnatio memoriae des NS. Aufzufordern war zu einem die neuerliche szientifische und gesellschaftliche Isolierung durchstoßenden Neuanfang. Das war damals ein Thema für Psychoanalytiker. Heute, so vermute ich, wende ich mich an Geisteswissenschaftler verschiedener Disziplinen, Intellektuelle über Fachgrenzen hinweg. Natürlich werde ich den Abstand zu damals reflektieren - Deutschlands Normalisierung ist ja durch eine große Verdrängungsleistung erkauft, nennen wir sie in Kürze: die uns vor der eigenen Geschichte abschottende Historisierung des NS. Meine apologetische Formulierung will dem Rechnung tragen, aber sie hat auch dieses Mal Appelcharakter. Festhalten an Freud, das heißt für mich: festhalten an ihm als einem Bundesgenossen unserers Denkens, auf den wir heute weniger denn je verzichten können. Festhalten an Freud, das heißt heute erst einmal: nicht zurückfallen hinter ihn.
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