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Erinnerungen an Edvard Munch

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Wer sich auch nur entfernt für Kunst interessiert, kennt heute die Bilder von Edvard Munch: «Das Kranke Kind», die «Madonna», den «Schrei», den «Tag danach». Selbst Munchs graphischen Blätter - normalerweise eher eine Sache für Liebhaber - sind Teil eines allgemeinen Bilderwissens geworden: der «Kuss», die «Eifersucht», die «Trennung der Liebenden». Munchs Bildsprache ist virtuos und elementar zugleich, als würde hier die Kunst von Grund auf neu erfunden. Tatsächlich hat dieser Stil das Publikum bei seinem ersten Auftreten schlagartig polarisiert: Hier die Vertreter der Tradition, die Munchs demonstrative Achtlosigkeit gegenüber technische Perfektion als Schmiererei brandmarkten und seine explizite Sinnlichkeit als anstößig empfanden. Dort die offenen Geister, die fasziniert waren von der beispiel losen Intensität, mit der Munch die Tiefen des menschlichen Seelenlebens zu verbildlichen vermochte. In seiner Radikalität schien er allenfalls noch Vincent van Gogh vergleichbar, der ebenfalls voraussetzungslos die Kunst neu zu erfinden schien. Während bei dessen Aufstieg zum Weltruhm das biographische Interesse jedoch von Anfang an eine bedeutende Rolle spielte, war dies bei Munch nicht der Fall. Dabei verlief sein Leben - zumindest in der ersten Hälfte - kaum weniger bewegt. Seine Liebes- und Eifersuchtserlebnisse dürften sogar noch drama tischer verlaufen sein, und auch hier gäbe ein Akt der Selbstverstümmelung genügend Stoff zur Spekulation. Extreme Seelenzustände, die an psychiatrische Zuständsbilder erinnern, fehlen ebensowenig wie eine weitgehende Verkennung seines künstlerischen Ranges über viele Jahre hinweg. Doch Munchs sprichwörtlicher Armut in dieser Zeit eignet nichts Messianisches. Vielmehr bewegte er sich in einer Bohème, die eher mit dem Satanismus liebäugelte und die Selbstdestruktion ihrer Alkohol- und Drogenexzesse zum Prinzip erhob. Etwas Finsteres und Melancholisches schien in Munchs Wesen, etwas potentiell Gewalttätiges sogar, obwohl ihn Kinder seit je liebten und seine großzügige Uneigennützigkeit geradezu sprichwörtlich war. Einerseits als Skandalkünstler schon früh europaweit bekannt, lebte er andererseits die meiste Zeit seines Lebens als unauffälliger Ein siedler in provinzieller Zurückgezogenheit. Niemanden ließ er kalt, und so sind die Zeugnisse zu seinem Leben zahlreich. Die meisten sind jedoch nie auf Deutsch und schon gar nicht gesammelt als Buch erschienen. Der neue Band der Reihe«en face» hält deshalb viel Überraschendes über einen Künstler bereit, den fast alle kennen und doch keiner wirklich.
Erscheint im Mai

Preis

39,80 CHF