Erfahrung und Zerstörung
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Im Zentrum des Buchs stehen zwei Texte Walter Benjamins aus den frühen 30er Jahren: »Der destruktive Charakter« und »Erfahrung und Armut«. Bei diesen Arbeiten handelt es sich einerseits um Selbstverständigungstexte des Intellektuellen Benjamin - zum anderen aber enthalten beide Texte kompromisslose Kulturdiagnosen, die an der Schwelle zwischen der Weimarer Republik und der NS-Zeit bzw. dem Exil eine Bilanzierung vornehmen, indem sie die Frage nach der Tradition unter den Bedingungen eines ungeheuren Erfahrungsverlustes aufwerfen. Diese »Erfahrungsarmut« ist für Benjamin ihrerseits bedingt durch die Kontingenzerlebnisse seiner Zeit: die Traumata des 1. Weltkriegs, die wirtschaftlichen Krisen und nicht zuletzt die Gefährdungspotentiale eines an Rasanz zunehmenden Großstadtlebens. Die sich stetig verändernden Lebensbedingungen der Moderne verlangen dem Einzelnen wie dem gesellschaftlichen Kollektiv die Bereitschaft ab, sich auf den permanenten Wandel einzustellen. Es geht um die Erprobung flexibler Reaktionsweisen, für die Benjamin in der Montagetechnik des Films eine Vorschule erkennt. Die interventionistische Figur des destruktiven Charakters zieht eine andere Konsequenz: Sie unterzieht die Traditionsbestände einer Überprüfung nach Maßgabe ihrer Brauchbarkeit und räumt ihre obsolet gewordenen Schichten radikal beiseite. Zugleich situiert Benjamin den destruktiven Charakter »in der Front der Traditionalisten«, einer Front, an der es darum geht, Wege und Perspektiven freizulegen und so neue Erfahrungsräume zu errichten, die den Anforderungen der Gegenwart entsprechen können.
Die Buchbeiträge, von denen vier im Rahmen der Benjamin-Lectures am Wiener Institut für Theater-, Film- und Medienwissen-schaft präsentiert wurden, versuchen den Schlüsselcharakter dieser Texte herauszuarbeiten und von ihnen ausgehend eine Topologie des Destruktiven zu vermessen, die sich über Benjamins gesamtes OEuvre erstreckt. So wie sich für Benjamin die Frage der Tradierbarkeit einer Sache stets im Licht ihrer Aktualität gestellt hat, so fragen auch die vorliegenden Studien nach dem heutigen Mehrwert jener Denkfiguren/-bilder, die sich um den Begriff des Destruktiven versammeln.
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