Die philosophisch-soziologischen Grundpositionen von Ferdinand Tönnies
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Günther Rudolph (1929¿-¿2017), ein Schüler Ernst Blochs, vertritt in der vorliegenden Monographie die Ansicht, dass die Tönniessche Soziologie primär als triadische zu verstehen sei, obwohl die Struktur- und Zeitkategorien Gemeinschaft und Gesellschaft einen Dualismus nahelegen würden. Er beansprucht mit seiner Interpretation zugleich, die gesellschaftspolitischen Motive zahlreicher "Missverständnisse" und Fehldeutungen bisheriger, sich selbst als "kritisch" verstehender Tönnies-Rezeptionen belegen zu können.
Als Interpretationsfolie dient ihm dabei die Gesellschaftstheorie von Karl Marx. Das ist insofern legitim, als Tönnies selbst sich in seiner Argumentation wesentlich auf Marx bezieht. Für die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft, auf die Rudolph vor allem seinen Blick richtet, hat Tönnies drei charakteristische Problemkomplexe benannt, die zugleich empirische Faktoren ihres Verfalls darstellen: die beherrschende Rolle des Profitdenkens, der sich daraus ergebende Klassenkampf, dessen Aufhebung durch eine Politik der Sozialreformen er sich wohl wünscht, aber kaum als realistisch ansieht, das Moment der Selbstzerstörung, das mit der gewaltigen Expansion einer profitgesteuerten Technologie einhergeht.
Im Gegensatz zu Rudolph sind die Schlussfolgerungen, die Tönnies aus der notwendigen Überwindung kapitalistischer Produktionsverhältnisse zieht, wesentlich "pessimistischer". Für ihn liegt die Tragik der Entwicklung darin, dass sie die Erfüllung des anthropologischen, in den Kleingruppen des Pliozäns und Pleistozäns wurzelnden Bedürfnisses der Menschen nach Gemeinschaft aus immanent notwendigen Strukturerfordernissen in der Gesellschaft unmöglich macht.
Vergriffen, keine Neuauflage/Nachdruck