Die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn in der europäischen Literatur des 20. Jahrhunderts
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Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1, 0, Technische Universität Berlin (Institut für Literaturwissenschaften), 66 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die von Jesus erzählte Geschichte vom verlorenen Sohn, der sich vom Vater löst, in die Welt hinauszieht und schließlich reuig zurückkehrt, hat herausragende Position unter den Gleichnissen und eine große Wirkungsgeschichte in der internationalen Literatur. Das vorliegende Buch widmet sich vier Variationen der biblischen Geschichte vom verlorenen Sohn aus dem 20. Jahrhundert. "Die Rückkehr des verlorenen Sohnes" von André Gide, das letzte Fragment der "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" von Rainer Maria Rilke, "Heimkehr" von Franz Kafka und "Die Geschichte des verlorenen Sohnes" von Robert Walser werden komparativ untersucht. Methodisch geht das Buch folgendermaßen vor: Im ersten Teil wird die inhaltliche Dimension und literarische Qualität der biblischen Geschichte analysiert. Der zweite Teil beschäftigt sich mit Einzeluntersuchungen, die Antworten auf die Frage der literarischen Umsetzung der biblischen Geschichte liefern. Die Geschichte vom verlorenen Sohn im Lukas-Evangelium ist keine Geschichte, die eine Geschichte im heutigen Sinn sein will oder kann, sondern ist ein Beitrag zur religiösen Erziehung der Zuhörer. Die Lehre Jesu ist Ziel der Geschichte, die über das eigentlich Gesagte hinaus weist. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn hat also den Zweck, die Heilsbotschaft zu verdeutlichen. Es berichtet davon, dass der überirdische Vater - symbolisiert durch den irdischen Vater - eine göttliche Ordnung garantiert. Wer dieser Ordnung davonläuft, wer sie ignoriert und schmäht, darf dennoch darauf hoffen, wieder aufgenommen zu werden, wenn er reuig umkehrt. Was geschieht nun mit den verlorenen Söhnen des 20. Jahrhunderts? Sind sie tatsächlich verloren? Ist ihr Aufbegehren gegen das Patriarchat, gegen die Obrigkeit nicht vielmehr ein Gewinn? Ist ihr Aufbruch, ihr Fortgang, ihre Sinnsuche nicht vielmehr der Ausdruck von Individualität? Womöglich ein Gewinn an individueller Freiheit? Die Bearbeitungen des Motivs vom verlorenen Sohn werden von Gide über Rilke und Kafka bis zu Walser schrittweise moderner und spiegeln die Entwicklung der Bewusstseinsprozesse. Die Botschaft der biblischen Geschichte - die Gnade Gottes, dank der der Verlorene gerettet werden kann - tritt in den neuen Fassungen der alten Geschichte in den Hintergrund. Es ist Aufgabe dieses Buches herauszustellen, dass eine reuige Rückkehr in letzter Konsequenz der Selbstverwirklichung und dem Bewusstsein einer eigenen Identität der verlorenen Söhne des 20. Jahrhunderts widerspricht.
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