Der Verräter
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Die Erzählungen des kasachischen Schriftstellers, Journalisten und Theaterregisseurs Rakhymzhan Otarbayev (1956¿-¿2018) bewegen sich an der Scheidelinie zwischen Satire und Tragödie. Wie einst Michail Soschtschenko übernimmt er oft die naive Sicht seiner Protagonisten, lässt Hinterwäldler auf die Moderne treffen, überkommene Bräuche auf überholte Ideologien und die Gnadenlosigkeit des speziellen postsowjetischen Turbokapitalismus. Ein einfacher Jäger fürchtet sich vor der Globalisierung, die ihm sein durchtriebener Gast ausmalt, ein Dorfmädchen sucht Arbeit und Glück und wird von einer Bordellbesitzerin zusammengeschlagen. Ein korrupter Mandatsträger muss sich vor der Wut der Demonstranten retten. Ein junger Mann verweigert den Eid auf das Vaterland, eine ältere Frau heiratet ihren jungen Liebhaber und zieht den Hass ihrer Umgebung auf sich. Altgewordene Arbeiter sinnieren beim Wodka über Fluch und Segen der Perestroika und in einem Erntelager gehen sich zwei ehemals nach Sibirien Verbannte wegen eines Stalintattoos an die Gurgel. Amerikaner und Chinesen haben Pläne für eine High-Tech-Rinderzucht - was wie Soschtschenkos »Kuh im Propeller« endet, und für einen hohen Staatsfunktionär muss ein repräsentatives Grab gefunden werden. In Otarbayevs Geschichten spiegelt sich die Dramatik eines Landes, das sich zwischen den imperialen Ansprüchen Russlands und Chinas behaupten muss und einen hohen Blutzoll entrichtete. Die romantische Verklärung der Steppe und nur leise Kritik an den Kolonialmächten, wie etwa bei Tschingis Aitmatow, sind seine Sache nicht. Er zieht mit drastischen Worten vom Leder, und doch schwingt eine ganz eigene Poesie darin. Das brachte ihm Ehrungen und Ächtung gleichermaßen ein, den Durchbruch in Westeuropa verhinderte sein zu früher Tod.
Erscheint im Februar