Das glückliche Tal
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Unsere Zelte stehen auf einer Grasbank am Ufer des Lahr-Flusses. Der Talboden liegt zweitausendfünfhundert Meter über Meer ¿ noch dreissig Meter höher, wenn man vom Spiegel des Kaspischen Meeres aus rechnet, welches uns viel näher ist als der Persische Golf. Zweitausendfünfhundert Meter ¿ das klingt schon beträchtlich, aber in Wirklichkeit bedeutet es wenig, denn ringsum sehen wir Berge und Ketten, die unser Tal mächtig überragen. Es sind graue Höhenzüge, zum Teil mit steil emporsteigenden Felswänden, aus brüchigem, wild zerrissenem Gestein ¿ zum Teil lange, sanft hingelagerte Halden. Steht man irgendwo in der Mitte einer solchen Halde ¿ und wir gehen nicht selten hinauf, um die Steinböcke zu beobachten, oder einfach, um dem dumpfen Schlaf unter dem Zeltdach zu entfliehen ¿, dann kann man deutlich das unaufhörliche Rieseln des Gerölls hören. Dieses monotone, sehr leise Rieseln ist das einzige Geräusch in der Einöde, ausser dem Brausen eines unsichtbaren Windes, der in weiter Ferne über die Kämme streichen muss, oder gar über die heisse Ebene, tief unten, die durch eine ganze Reihe namenloser Pässe und Saumpfade von unserem Tal getrennt ist. Ich kenne kein unerträglicheres Geräusch als das nie versiegende Rieseln der grossen Halden ¿, ja, es übertrifft an Schrecklichkeit sogar das nächtliche Dröhnen der Karawanenglocken in der Ebene, dem ich hier glücklich entflohen bin. Im Sommer bringen die Karawanen den heissen Tag in einer Stadt oder in einem Khan zu und brechen erst mit der Dämmerung auf, wenn der Wind ein wenig kühler wird. Da ich mehrere Monate in einer Baracke gewohnt habe, die nur durch eine Gartenmauer aus Lehm von der alten Karawanenspur zwischen Teheran und Veramin getrennt war, hörte ich das dumpfe Dröhnen der Glocken, die heiseren Schreie der Treiber und die kleine, hell bimmelnde Glocke am Hals des Leitesels jeden Abend, und noch bis in den Traum hinein ¿, trotzdem konnte ich mich nie daran gewöhnen.
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