Das Arzt-Patienten-Verhältnis im Wandel. Ist die Theorie von Talcott Parsons noch zeitgemäß?
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Studienarbeit aus dem Jahr 2021 im Fachbereich Soziologie - Medizin und Gesundheit, Note: 1, 7, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Politik und Gesellschaft), Veranstaltung: Soziologie der Gesundheit, Sprache: Deutsch, Abstract: Über 60 Jahre nach Parsons Beschreibung, lässt sich heute die Frage stellen, inwieweit es noch zielführend und angemessen ist, dass Ärzte als medizinische Experten allein entscheiden oder Patienten einen Teil der Entscheidungen selbst treffen können und sollen.
Der amerikanische Soziologe Talcott Parsons (1902¿1979) beschrieb aus einer strukturfunktionalistischen Perspektive eine idealtypische und komplementäre Arzt-Patienten-Rollenbeziehung, die das Primärziel der Medizin, Rolleninhabern im sozialen System schnell wieder ihre soziale Rollenerfüllung zu ermöglichen, bestmöglich unterstützt. In Parsons Beschreibung übernimmt der Arzt aufgrund seiner umfangreichen Ausbildung und Expertise eine anweisende, anordnende Haltung ein, dieser trifft Entscheidungen, zum Beispiel über die umzusetzende Behandlung und Medikation, denen sich der Patient, in Ermangelung von Fachkenntnissen im medizinischen Feld, als Laie unterordnet und fügt. Eine Beteiligung an Entscheidungen ist dabei weder notwendig noch erwünscht.
Die Beziehung zwischen Arzt und Patient wandelt sich. Herrschte früher noch stark dominierend das paternalistische Bild eines Arztes als "Halbgott in Weiß", der in Fragen von Diagnose und Behandlung stets wusste, was das Beste für seine Patienten ist und dieses unter dieser Prämisse auch unverzüglich umsetzt, lassen sich seit den 1960er Jahren gesamtgesellschaftliche Verschiebungen hin zu stärkeren Bürgerrechten beobachten, die sich unter anderem auch in eine Bewegung zu mehr Patientenbeteiligung und ausgedehnteren Patientenrechten ausdrücken.
Ein Wandel des Arzt-Patienten-Verhältnisses kann in mehreren Bereichen beobachtet werden. Einerseits hat sich über das Internet und andere Medien die Informationslage grundlegend verbessert, andererseits führt mehr Fortschritt auch zu mehr Unwissenheit, immer mehr muss berücksichtigt werden in Diagnose und Behandlung. Die Medizin hat an Vertrauen in der Bevölkerung und Politik verloren und wird teilweise als anmaßend, eigennützig und unkritisch der eigenen Disziplin gegenüber empfunden. Eine größer werdende Anzahl von Patienten möchte umfassendere Informationen und eine aktivere Rolle im Behandlungsprozess einnehmen sowie angemessen an Entscheidungen beteiligt werden. So wird auch als Folge dessen über die letzten 20 Jahre zunehmend wissenschaftlich geforscht und diskutiert zu Erwartungen und Bedürfnissen von Patienten.
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