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Kinder zeichnen schon sehr lange. Und es ist schwer vorstellbar, dass sie es nicht in jeder Kultur getan haben, die den allgemeinen Gebrauch von Ritzinstrumenten oder Stiften und Formen der bildlichen Repräsentation kannte. Dennoch ist die ›Entdeckung‹ der Kinderzeichnung ein genuin modernes Phänomen. Seit dem 16. Jahrhundert ist ein Interesse der professionellen Maler am Phänomen Kinderzeichnung nachweisbar, aber erst in den 1880er Jahren werden die graphischen Versuche der Kinder zum Gegenstand wissenschaftlicher Reflexion. Die »Kunst der Kinder« etablierte sich in der Folge als ein wichtiges Instrument der Entwicklungs- und Intelligenzpsychologie, der Pädagogik und Psychoanalyse. Die Wissenschaften vom Kinde erschlossen das Zeichnen als ein Mittel der Kommunikation, welches Dispositionen, Bedürfnisse und Konflikte dokumentiert, die das Kind selbst (noch) nicht sprachlich artikulieren kann. Mehr noch als das Spiel oder die Phantasie- und Lügengeschichten soll die Kinderzeichnung seither Auskunft geben über Entwicklung, Intelligenz und Raumwahrnehmung, über psychische Veranlagung und psychoanalytische Ätiologie. Das Zeichnen wurde damit als Instrument einer Normalisierung des Kindes in Dienst genommen. Die Experimentalisierung der Kinderzeichnung brachte aber auch ein neues Verständnis der anthropologischen Funktion des Zeichnens hervor, das uns bis heute begleitet: Sie hat den Blick dafür geschärft, dass es sich schon bei der harmlosesten Kritzelei um ein Medium der Subjektwerdung des Kindes handelt, das es ihm ermöglicht und erleichtert ein erkennendes, denkendes und handelndes Subjekt zu werden.