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Die Vogelfrau ist verschwunden. Jahrelang sass sie in ihrem schwarzen speckigen Mantel auf dem Bett, verliess ihr Zimmer kaum und hortete Brotreste im Nachttisch, bis sie schimmlig waren, als wolle sie sich gegen eine drohende Hungersnot wappnen. Und nun, kurz vor Weihnachten, ist ihr Bett leer, die Vogelfrau bleibt unauffindbar. Weder Tochter Jarmila noch Enkelin Dagmar können sich erklären, wohin die alte Frau gegangen ist.
Das Verschwinden der Vogelfrau reisst die Familie, die Ende der 1970er Jahre aus der Tschechoslowakei in die Schweiz geflüchtet war, aus ihrem Trott. Die Fassade bekommt Risse, und Familiengeheimnisse, Lebenslügen, totgeschwiegene Erinnerungen drängen ans Licht.
Vielschichtig zeichnet die Autorin nach, wie sich das Leben in der Diktatur, die abrupte Flucht aus der vertrauten Welt und die Ankunft in einer unbekannten und abweisenden Gesellschaft auf drei Generationen auswirkt. Sie nimmt uns mit in das Prag von Dagmars Kindheit, das scheint wie ein ferner Traum, in dem Dagmar mehr von der Welt der Erwachsenen erfährt, als eine Achtjährige verstehen und verkraften kann.
Nach der Flucht treten Konventionen an die Stelle der Liebe, Ambitionen und Lebensgewandtheit gehen verloren. Und Dagmar übernimmt als Einzige, die sich in der neuen Sprache zurechtfindet, die Elternrolle.
Jahre später haben sich die Eltern nichts mehr zu sagen. Dagmar fühlt sich zunehmend entfremdet von ihrem Ehemann und angezogen von ihrem Nachbarn, dessen Vergangenheit ebenfalls von dunklen Schatten belastet scheint. Die Vogelfrau geht nach Jahrzehnten ihrem Geheimnis nach. Und reisst damit alle aus ihrem Verharren.
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