Auge und Geist. Können Bilder sprechen?
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Zu Ernst Barlachs Holzfiguren gehört bekanntlich die Holzplastik des Lesenden Klosterschülers aus dem Jahr 1930, einer Ikone aus der Zeit der Gutenberggalaxis, die auch in Alfred Andersch' Roman "Sansibar oder der letzte Grund" von 1957 eine wichtige Rolle spielt. Springen wir in unsere Zeit, sind die Bücherregale leergefegt und die Klosterschüler in die Umschulungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit einbezogen, damit sie zu nützlichen Helfern beim Zerstören der Welt durch materielle Hyperproduktion werden können. Denn eine andere als eine nützliche Bildung können wir uns nicht mehr vorstellen, sodass niemand mehr zu Hause bleiben kann und alle losfahren müssen, um Grundstücke zu bebauen, Flugzeuge zu starten oder Sozialprodukte zu steigern. Die Ökonomisierung von allem ist uns prächtig gelungen - chapeau! Leider hat der Zauberlehrling den Zauberspruch zum Stoppen des Ganzen zu lernen versäumt und muss nun zusehen, wie ihm die Wachstumsraten um die Ohren fliegen, seien es demografische, migrationsspezifische oder eben umweltbelastende. Greta Thunberg, eine 16-jährige Mischung aus der Garbo und Jeanne d'Arc, bildungsbürgerlichem Elternhaus entstammend, das früher die Partei der Grünen gewählt hätte, führt nun einen Kinderkreuzzug gegen die Umweltsünden der Väter an, als kehre das Jahr 1968 zurück, als Väter auch buchstäblich Leichen im Keller hatten, zu denen sie sich aber nicht bekennen wollten. Dabei lässt sich die Jugend in den SUVs der Eltern zur Demo fahren oder von ihr abholen, und für jede Urlaubsreise wird selbstredend ein "Flieger" zum Einsatz kommen. Und nicht nur in der Autoindustrie wird inzwischen so skrupellos und ohne jedes Schuldbewusstsein betrogen, dass sich die Kabelbäume biegen, offenbar nach einem bekannten pseudoliberalen Motto des Enrichissez-vous. Diese Welt ist verrückt geworden, verrückt vor Aktivitäten und Aktionismen. Deshalb scheint es mir auch in diesem Essay ratsam, Morsezeichen aus der Gutenberggalaxis auszusenden und den Rat zu geben, doch wieder in die Bücher zu schauen, statt auf den Globus zu starren, etwa "um dich zu sehen, törichte Erde" (Boethius). Das Angebot einer Gesamtschau, das solche Bücher dann anbieten können, mag nicht in jedem Fall zufriedenstellen, aber in einer solchen Zeit sollte man den Stimmen der Mahner wieder größeren Respekt zollen und etwa Hermann Kinders scherzhaften Rat hören, dem "Auge zur medialen Fastenkur" einen Aufenthalt "am Nordkap" zu verordnen. Auge und Geist müssen wieder lernen, aufeinander mehr Rücksicht zu nehmen. Wer etwas erlebt hat, muss es anschließend nach den Regeln der abendländischen Kultur verarbeiten, damit er die Kontrolle nicht verliert und nicht zum Getriebenen wird. An diese Tradition knüpfen die hier vorgelegten sechzehn Buchbesprechungen frohgemut an. ...
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