Antike und Identität
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Forderungen nach Dekolonialisierung haben in den Altertumswissenschaften zuletzt eine heftige Debatte über den Platz der griechisch-römischen Antike in der Geschichte und Gegenwart ausgelöst. Jonas Grethlein zeichnet hier diese Debatte nach und entwickelt eine eigene Position. Den Advokaten der Identitätspolitik, die eine kritische Revision der Geschichte der Altertumswissenschaften und des Kanons fordern, stehen konservative Fachvertreter gegenüber, die im griechisch-römischen Altertum die Wurzeln unserer kulturellen Identität sehen. In beiden Fällen erweist sich die Kategorie der Identität als problematisch - sie verkürzt entweder den Zugriff auf die Antike narzisstisch oder überstrapaziert sie normativ. Auch Uvo Hölschers Formel des 'nächsten Fremden' kann in einer globalisierten Welt die Beschäftigung mit der Antike nicht mehr rechtfertigen - es gibt viele andere vergangene und gegenwärtige Kulturen, die uns neue Perspektiven auf die Gegenwart eröffnen können. Es ist eine zentrale Herausforderung für die Altertumswissenschaften, die Hinterlassenschaft der Antike für die Gegenwart fruchtbar zu machen. Auch wenn griechische und lateinische Texte keinen besonderen Status mehr beanspruchen können, bietet ihre Reflexivität vielfältige Ansatzpunkte für die Auseinandersetzung.
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