Anthroposophie
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Den Menschen zu betrachten, gilt einem seit den ältesten Zeiten vorhandenen Gefühle als der würdigste Zweig des menschlichen Forschens. Wer nun auf sich wirken läßt, was im Laufe der Zeiten als Erkenntnis der menschlichen Wesenheit zutage getreten ist, der kann leicht entmutigt werden. Eine Fülle von Meinungen bietet sich dar als Antworten auf die Frage: Was ist der Mensch, und welches Verhältnis hat er zum Weltall? Die mannigfaltigsten Unterschiede zwischen diesen Meinungen treten dem Nachsinnen gegenüber. Es kann sich daraus die Empfindung ergeben, daß der Mensch zu solcher Forschung nicht berufen sei, und daß er darauf verzichten müsse, etwas zu erreichen, was dem genannten Gefühle Befriedigung gewähren kann. Ist solche Empfindung berechtigt? Sie könnte es nur sein, wenn die Wahrnehmung verschiedener Ansichten über einen Gegenstand ein Zeugnis dafür wäre, daß der Mensch unfähig ist, etwas Wahres über den Gegenstand zu erkennen. Wer ein solches Zeugnis annehmen wollte, der müßte glauben, daß sich das ganze Wesen eines Gegenstandes auf einmal dem Menschen erschließen sollte, wenn von Erkenntnis überhaupt die Rede sein könne. Nun aber steht es mit der menschlichen Erkenntnis nicht so, daß sich ihr das Wesen der Dinge auf einmal ergeben kann. Es ist mit ihr vielmehr so, wie mit dem Bilde, das man zum Beispiel von einem Baume von einer gewissen Seite aus malt oder photographisch aufnimmt. Dieses Bild gibt das Aussehen des Baumes, von einem gewissen Gesichtspunkte aus, in voller Wahrheit. Wählt man einen anderen Gesichtspunkt, so wird das Bild ganz anders. Und erst eine Reihe von Bildern, von den verschiedensten Gesichtspunkten aus, kann durch das Zusammenwirken eine Gesamtvorstellung des Baumes geben.
So aber kann der Mensch auch nur die Dinge und Wesenheiten der Welt betrachten. Alles, was er über sie sagen kann, muß er als Ansichten sagen, die von verschiedenen Gesichtspunkten aus gelten.
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