Alltag
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Der Alltag mag alltäglich sein - für seine Darstellung gilt dies keineswegs. Damit ist ein Spannungsverhältnis beschrieben, das die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Alltag prägt. Während Soziologie, Politik-, Geschichts- und Kulturwissenschaft gerade auf die Untersuchung von Arbeits- und Lebensroutinen, Wiederholungen, Reproduktion als gesellschaftsbildend zielen, bedeutet die Darstellung des Gewöhnlichen in Kunst, Literatur und Medien - der Versuch also, gerade dieses Gewöhnliche ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken - die Herstellung von »Monumenten des Alltags« [Friedrich Balke] und produziert damit eine paradoxale Situation.
Beiden Richtungen gemein ist heutzutage, dass sie den Alltag als Paradigma ernstnehmen, auch wenn dies im Zuge wieder erstarkender Großerzählungen und -ideologien durchaus nicht als gesichert gelten kann. Aus diesem Anlass widmet sich der vorliegende Band dem beschriebenen Spannungsverhältnis, das AlltagsexpertInnen aus verschiedenen Disziplinen und Perspektiven fruchtbar machen. Die Beiträge des Bandes geben einerseits einen historischen und systematischen Überblick über die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Alltag aus film- und medienwissenschaftlicher [Heike Klippel], aus literaturhistorischer [Nicolas Pethes], aus politikwissenschaftlicher [Brigitte Bargetz] sowie aus unterschiedlichen kulturwissenschaftlichen Perspektiven [Ben Highmore, Friedemann Schmoll].
Sie werden ergänzt durch Beiträge zu einzelnen Phänomenen der Alltagsdarstellung und deren Verständnis, behandelt werden dabei mit dem Alltag verbundene Parameter wie Realismus, Authentizität, Präsentation und Repräsentation, Ideologie und Identität.
Die Auseinandersetzung um den Alltag wird in der Moderne, versteht man diese mit Jacques Rancière als seit dem 18. Jahrhundert andauernde Epoche westlicher Gesellschaften, von der Frage nach dem epistemologischen Stellenwert des Alltags grundiert. Die eine, prominente und dominante Strömung sieht im Alltag gerade das Gegenteil von Erkenntnismöglichkeit [Hegel, Lukács, Adorno]. Es sind die genannten Routinen, das auf Reproduktion ausgerichtete Leben oder im 20. Jahrhundert die [kultur-]industrielle Taktung von Arbeit und Freizeit, die Reflektion und damit Erkenntnis per se ausschließen. Es sind dann insbesondere Soziologie, Politik- und Kulturwissenschaft sowie Film- und Medientheorie im 20. Jahrhundert, die Alltagserfahrung als Erkenntnismittel nobilitieren.
Der Band fragt also letztlich danach, wie zwischen Alltag und Kunst vermittelt werden kann, wenn beide sich per se gegenseitig ausschließen.
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