A - Arglosigkeit
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ARGLOSIGKEIT heißt das neue Buch des Berliner Dramatikers und Regisseurs Kevin Rittberger, das soeben als 11. Band des »Kleinen Stimmungs-Atlas« im Hamburger Textem Verlag erschienen ist. Rittberger, der zu den politischen Theatermachern seiner Generation zählt, schreibt in seinem Alphabet der Arglosigkeit mal in kurzweiliger Prosa, mal essayistisch, mal im Austausch mit anderen Autoren u. a. über »Empathie«, »Mutual Aid«, »Prekäre Paradiese«, »Spukhafte Fernwirkung«, »Tao« und andere »Übungssysteme«. Sein Vertrauen in ein mögliches Miteinander zieht mal engere, mal weitere Kreise um das Theater. Ein Buch zur Rettung der Arglosigkeit.
arglosigkeit meint indes nicht:
- blind ins verderben rennen
- die andere backe auch noch hinhalten
- nicht aus fehlern lernen können
- egomanie, egozentrik, selbstsucht unterschätzen oder ausblenden
- sich allein in den wald verkriechen und von kraut und rüben ernähren
- nur naiv, blauäugig, dumm sein
- ursprünglich sein, zurück zu etwas wollen: etwa auf eine essenz, natürlichkeit, angeborenheit vertrauend
- enttäuschungen und scheitern verleugnen
- keine strategie kennen
- gar kein misstrauen an den tag legen
(...)
arglos sein meint indes also:
- nicht nur bemerken, dass die anderen einen für arglos halten, sondern sich dazu bekennen, vor den anderen, für die anderen
- gemeinsam sein zu können, vielmehr als: in-gemeinschaft-sein zu wollen (letzteres wäre in einer zeit des erstarkens von identitären, christlich-abendländischen, völkisch-national-ethnopluralen bewegungen wirklich dumm und bisweilen geschichtsrevisionistisch)
- das verlangen nach kommunismus haben (wenn man mit jean-luc nancy davon ausgeht, dass »der Gesellschaft am Ausgang des 18. Jahrhunderts etwas fehlt, nämlich das Zusammengehörigkeitsgefühl«). nach den erfahrungen des 20. jahrhunderts problematisiert nancy (in singulär plural sein) den begriff, bezeichnet die gemeinschaft als undarstellbar und spricht vom »Être-ensemble«: Mehr vom »Mitsein sprechen als von der Gemeinschaft. (...) Im Mitsein wird etwas zu etwas, es wird geteilt und mitgeteilt, kommuniziert - womit wir wieder beim lateinischen cum wären.«
(...)
Kevin Rittberger, geboren 1977, lebt in Berlin als Autor, Regisseur und Kurator, studierte an der Freien Universität Berlin Neuere Deutsche Literatur, Publizistik- und Kommunikationswissenschaften. Inszenierungen und Uraufführungen seiner Stücke waren u. a. am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Deutschen Theater Berlin, Schauspiel Frankfurt, Düsseldorfer Schauspielhaus, Schauspielhaus Wien, Residenztheater München zu sehen.
Für die Uraufführung von Dietmar Daths Roman Die Abschaffung der Arten am Deutschen Theater in Berlin sowie Die Nachrichten aus der ideologischen Antike nach Alexander Kluge erhielt er 2010 den Regie-Preis der Akademie der Künste. Sein Stück Kassandra oder Die Welt als Ende der Vorstellung wurde 2011 für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert. 2013 inszenierte Rittberger am Düsseldorfer Schauspielhaus sein Stück »Candide. Acting in Concert« und 2014 - beim Taipeh Arts Festival - die Uraufführung seines Stückes Mulian Rescues Mother Earth. Zuletzt zeigte Rittberger die Lecture- und Performance-Reihe Community in Progress am Theater Basel.
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